Prävention
Woher kommen Angst, Hass und Extremismus? Und was können wir dagegen tun? Finden Sie es heraus!
Angst und Hass gefährden die Demokratie. Sie erschüttern das Vertrauen in ihre wichtigsten Institutionen. Viele Menschen misstrauen den Medien, der Politik und der Justiz.
Die Macht der Angst
Der schwedische Forscher Hans Rosling befragte weltweit 12.000 Menschen, wie sie gesellschaftliche Probleme wahrnehmen und verglich die Antworten mit konkreten Fakten. Das Ergebnis: Die Menschen sahen die Dinge wesentlich düsterer als sie in Wirklichkeit waren. Offenbar verändert die Angst unsere Wahrnehmung. Das spielt besonders extremistischen Gruppen in die Karten.
Der Verstärker
Ist die Angst, die die Menschen - nicht nur in Cottbus - empfinden, größer geworden? Studien wie die von Hans Rosling besagen: ja. Unsere modernen Kommunikationsmittel wirken dabei wie eine Art Verstärker.
Quiz
Schätzen sie mal: Wieviele Deutsche fühlen sich im Jahr 2018 von islamistischen Terroranschlägen bedroht?
Quelle: Verfassungsschutzbericht 2017
Quelle: Verfassungsschutzbericht 2017
über Andreas Zick
Andreas Zick ist Sozialpsychologe und Konfliktforscher. Seine Themen: Diskriminierung, Gewalt, Menschenfeindlichkeit, Vorurteile und der Hass im Netz. Er untersucht regelmäßig in Studien die politischen Einstellungen der Deutschen.
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Schätzen sie mal: Wieviel Prozent der Deutschen sagen: „Es leben zu viele Ausländer in Deutschland“?
Die Wut
Wenn Menschen sich nicht ernst genommen fühlen, wenn ihre Meinungen ignoriert und ihre Ängste als falsch abgestempelt werden, dann wächst die Wut. Auf diejenigen, die auf der „richtigen“ Seite stehen. Eltern, die Nachbarn, die Politiker, die Medien, das System. Sie alle bilden in ihren Augen das „Establishment“, das ihnen kein Angebot macht. Gruppen, in denen man seine Wut teilen kann und extremistische Meinungen geteilt werden, scheinen dann zu einer attraktiven Option zu werden.
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Schätzen sie mal: Wie viele Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund gab es in Deutschland im Jahr 2017?
Der Ausstieg
Wer raus will aus der extremistischen Szene muss hohe Hürden überwinden, ähnlich wie beim Ausstieg aus einer Sekte. Oft dauert das mehrere Jahre, sogar Jahrzehnte. Ehemals engste Freunde werden zu Feinden, denn als Mitwisser werden Aussteiger zur Gefahr. Über Jahre gewachsene Überzeugungen müssen komplett überdacht und umgekehrt werden. Viele schaffen es nicht.
Judy Korn
Judy Korn ist Geschäftsführerin vom "Violence Prevention Network", einer Organisation, die Leuten wie „Paul“ beim Ausstieg aus einer extremistischen Szene hilft. Egal ob Neonazi, Salafist oder Mitglied der Antifa: für Judy Korn zählt, dass jemand damit aufhören will, mit Gewalt eigene ideologische Ziele durchzusetzen. Am Anfang des Ausstiegsprozesses stünden meist lange Gespräche, erzählt Judy Korn. Erstmal nur Zuhören, das sei das wichtigste.
Quiz
Wer sich so weit radikalisiert, dass er für seine politischen Ziele schwere Straftaten begehen würde, gilt bei den Behörden als „Gefährder“. Wie viele islamistische Gefährder zählt der Verfassungsschutz in Deutschland derzeit (Stand: 2017)?
Leichte Beute
Offenbar sind für das Abdriften in extremistisches Denken neben sozialen Faktoren auch die eigenen Erfahrungen verantwortlich. Standardvoraussetzungen für eine Radikalisierung gibt es nicht. Manche fühlen sich einsam oder haben einen wichtigen Menschen verloren. Andere berichten von dem starken Gefühl, benachteiligt zu sein. Wieder andere haben während ihrer Kindheit Gewalterfahrungen machen müssen.
Das Angebot der Extremisten
Extremisten sind sehr geschickt, wenn sie neue Mitglieder rekrutieren wollen. Sie bieten einfache Lösungen für große Probleme und liefern praktischerweise auch immer gleich den Schuldigen dazu. Bei Salafisten sind das zum Beispiel die Ungläubigen, der Imperialismus, die westliche Welt.
Behnam Said
Behnam Said ist ein deutscher Islamwissenschaftler und Buchautor. Er hat jahrelang beim Verfassungsschutz in Hamburg gearbeitet und unter anderem den Arbeitsbereich der Prävention mit aufgebaut.
Das Experiment
In dem Film „Das Experiment“ von 2001 werden Menschen in zwei Gruppen aufgeteilt: Wärter und Gefangene. Das Experiment eskaliert, die Wärter geraten in einen Machtrausch. Offenbar werfen wir unsere menschlichen Prinzipien in Sekundenschnelle über Bord, wenn wir Autoritäten gehorchen sollen - oder selber Macht in die Hand bekommen. Die „X-Games“ haben einen ähnlichen Ansatz: Jugendliche sollen in einem Planspiel lernen, wie anfällig sie für Extremismus sind.
Werte
Wie verführbar sind wir, wenn uns jemand in einem weißen Kittel als Autoritätsperson gegenüber sitzt und Anweisungen gibt? Wie schnell sind wir bereit, unsere Prinzipien zu verraten? Wann sind wir bereit, anderen zu schaden, wenn es eine Autorität gibt, die uns dazu auffordert?
Michael Kiefer
Michael Kiefer hat viele Berufe. Er lehrt Islamwissenschaften an der Uni Osnabrück, ist Präventionsberater in Düsseldorf und schreibt Bücher über religiösen Extremismus. Der wichtigste Ort für Präventionsarbeit ist seiner Meinung nach die Schule.
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Wieviel Prozent der Internetnutzer haben schon mal selbst Hasskommentare bekommen?
#ichbinhier
Das Internet bietet einen nahrhaften Boden für den Hass. Nirgendwo sonst kann man - anonym und meist ungestraft - andere Menschen beleidigen und demütigen. Persönliches Cybermobbing ist ein richtiges Problem geworden, aber auch die Millionen Hasskommentare unter Zeitungsartikeln vergiften das Miteinander.
Quiz
Etwa die Hälfte der Hasskommentare kommt nur von einem Bruchteil der Internetaccounts, nämlich von nur von etwa 5 Prozent. Viele Hasskommentare sind computergeneriert und werden automatisch abgesetzt. Wieviel Besucher im Internet sind keine Menschen, sondern Roboter, so genannte „bots“?
Gegen den Hass
Welche Folgen hat der Hass? Was bedeutet er für die Zusammenhalt einer Gesellschaft? Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass er zwar die Bildung von Gruppen verstärkt - „im Hass sind wir uns einig“ - diese sich aber durch Abgrenzung zu anderen Gruppen erst konstituieren. Die Folge ist, dass Hass eine Gesellschaft spalten kann. Das Internet war der Ort, an dem er sich lange Zeit ohne viel Gegenwehr frei entfalten konnte.
Irina Bohn
Irina Bohn ist Politikwissenschaftlerin, Expertin für Demokratieförderung und Radikalisierungsprävention und hat verschiedene Projekte für das Programm Demokratie Leben! des Bundesfamilienministeriums evaluiert.
Der Staatsvertreter
Der Staat muss Terroranschläge verhindern und mögliche extremistische Gruppen ausfindig machen und im Auge behalten. Der Fall NSU hat gezeigt, dass die Strategien nicht immer aufgehen. Rechtsextreme Terroristen konnten, über Jahre offenbar unentdeckt, 10 Menschen ermorden. Andererseits beschweren sich Datenschützer über zu viel Überwachung unbescholtener Bürger. Ein Dilemma für die Sicherheitsbehörden.
Andreas Geisel
Andreas Geisel hat BWL studiert und ist seit 2016 Innensenator in Berlin. Seiner Behörde zugeordnet ist das Landesamt für Verfassungsschutz, das sich um das Thema Extremismusprävention kümmert.
Quiz
Die Bundesregierung unterstützt mit dem Programm „Demokratie leben!“ mehr als 700 Projekte zur Radikalisierungsprävention und Demokratieförderung. Wie hoch war das Budget des Programms im Jahr 2018 in Euro?
Hier endet unsere Reise.
Am Ende unserer Reise haben wir das Gefühl: es gibt in Deutschland zwar gefährliche Entwicklungen. Aber auch eine Menge Leute, die sich dagegen engagieren.
Was tun!
Empathie gegen Hass
Die Ursachen, warum sich jemand radikalisiert, liegen tief. Im Zeitalter von Globalisierung gibt es immer mehr Menschen, die sich als „Verlierer“ wahrnehmen und Wut auf die vermeintlichen „Gewinner“ entwickeln. Es haben sich Gräben aufgetan in der Mitte unserer Gesellschaft, die wir jahrelang als stabil und friedlich wähnten. Das ist natürlich nicht nur in Deutschland so. Einige unserer europäischen Nachbarländer zeigen uns, was passiert, wenn die Extremen die Oberhand gewinnen. Es müssen die Gräben geschlossen werden zwischen Arm und Reich, zwischen Osten und Westen. Zwischen „uns Deutschen“ und „den Fremden“. Den Hass zu besiegen, das ist nicht nur Aufgabe des Staates, sondern die von uns allen.