Woher kommen Angst, Hass und Extremismus? Und was können wir dagegen tun? Finden Sie es heraus!
Angst und Hass gefährden die Demokratie. Sie erschüttern das Vertrauen in ihre wichtigsten Institutionen. Viele Menschen misstrauen den Medien, der Politik und der Justiz.
Der schwedische Forscher Hans Rosling befragte weltweit 12.000 Menschen, wie sie gesellschaftliche Probleme wahrnehmen und verglich die Antworten mit konkreten Fakten. Das Ergebnis: Die Menschen sahen die Dinge wesentlich düsterer als sie in Wirklichkeit waren. Offenbar verändert die Angst unsere Wahrnehmung. Das spielt besonders extremistischen Gruppen in die Karten.
Juliana Meyer hat das Sprechcafé Cottbus gegründet. Dort begegnen alteingesessene Cottbusser Flüchtlingen und erfahren von deren Schicksalen. Ihr Ziel ist es, den rechten Demonstrationen etwas entgegenzusetzen. Immer wieder haben Teile der Bevölkerung zusammen mit Neonazis demonstriert, ohne sich klar von ihnen abzugrenzen.
Ist die Angst, die die Menschen - nicht nur in Cottbus - empfinden, größer geworden? Studien wie die von Hans Rosling besagen: ja. Unsere modernen Kommunikationsmittel wirken dabei wie eine Art Verstärker.
wir würden das Interview mit Ihnen gern in einem alten Hörsaal drehen. Was halten sie davon? Wir wollen Sie zu Hass und Angst befragen und herausfinden, welche Rolle dabei das Internet spielt. Kollegen sehen im Netz einen “Brandbeschleuniger”. Wie stehen Sie dazu?
Andreas Zick ist Sozialpsychologe und Konfliktforscher. Seine Themen: Diskriminierung, Gewalt, Menschenfeindlichkeit, Vorurteile und der Hass im Netz. Er untersucht regelmäßig in Studien die politischen Einstellungen der Deutschen.
Wenn Menschen sich nicht ernst genommen fühlen, wenn ihre Meinungen ignoriert und ihre Ängste als falsch abgestempelt werden, dann wächst die Wut. Auf diejenigen, die auf der „richtigen“ Seite stehen. Eltern, die Nachbarn, die Politiker, die Medien, das System. Sie alle bilden in ihren Augen das „Establishment“, das ihnen kein Angebot macht. Gruppen, in denen man seine Wut teilen kann und extremistische Meinungen geteilt werden, scheinen dann zu einer attraktiven Option zu werden.
„Paul“ lebt in Chemnitz. Seinen echten Namen will er nicht nennen. „Paul“ ist etwa Anfang 30. Über zehn Jahre lang war er Mitglied in einer rechtsextremen Kameradschaft. Bis er vor ein paar Jahren in den Knast kam. Dort beschloss er, aus der Szene auszusteigen.
Wer raus will aus der extremistischen Szene muss hohe Hürden überwinden, ähnlich wie beim Ausstieg aus einer Sekte. Oft dauert das mehrere Jahre, sogar Jahrzehnte. Ehemals engste Freunde werden zu Feinden, denn als Mitwisser werden Aussteiger zur Gefahr. Über Jahre gewachsene Überzeugungen müssen komplett überdacht und umgekehrt werden. Viele schaffen es nicht.
wir wollen mit Ihnen vor allem über den Ausstieg sprechen. Der “Ausstieg” aus dem extremistischen Milieu klingt für viele nach einem natürlichen Schritt, irgendwann sind die Irrungen eben vorbei. Aus unseren Recherchen wissen wir, dass es so einfach nicht ist. Der Ausstieg scheint harte Arbeit zu sein. Darüber wollen wir mit Ihnen sprechen und auch über die Frage, weshalb die Ausstiegsarbeit zur Prävention, also dem Vorbeugen, gehört.
Judy Korn ist Geschäftsführerin vom "Violence Prevention Network", einer Organisation, die Leuten wie „Paul“ beim Ausstieg aus einer extremistischen Szene hilft. Egal ob Neonazi, Salafist oder Mitglied der Antifa: für Judy Korn zählt, dass jemand damit aufhören will, mit Gewalt eigene ideologische Ziele durchzusetzen. Am Anfang des Ausstiegsprozesses stünden meist lange Gespräche, erzählt Judy Korn. Erstmal nur Zuhören, das sei das wichtigste.
Offenbar sind für das Abdriften in extremistisches Denken neben sozialen Faktoren auch die eigenen Erfahrungen verantwortlich. Standardvoraussetzungen für eine Radikalisierung gibt es nicht. Manche fühlen sich einsam oder haben einen wichtigen Menschen verloren. Andere berichten von dem starken Gefühl, benachteiligt zu sein. Wieder andere haben während ihrer Kindheit Gewalterfahrungen machen müssen.
Sahira Awad ist Rapperin in Berlin. Als ihr Mann starb, fand sie Halt bei muslimischen Fundamentalisten in Berlin. Sie stieg vor ein paar Jahren aus, weil sie sich als Frau dort unterdrückt fühlte. Heute erzählt sie ihre Geschichte, um andere davon abzuhalten, überhaupt in die Szene einzusteigen. Auch das ist Prävention.
Extremisten sind sehr geschickt, wenn sie neue Mitglieder rekrutieren wollen. Sie bieten einfache Lösungen für große Probleme und liefern praktischerweise auch immer gleich den Schuldigen dazu. Bei Salafisten sind das zum Beispiel die Ungläubigen, der Imperialismus, die westliche Welt.
es ist vielen immer noch ein großes Rätsel, warum sich manche Jugendliche, die in Deutschland groß geworden sind, dem IS anschließen wollen. Nicht nur wegen der menschenverachtenden Botschaften. Sondern vor allem wegen der großen Gefahren, die das für sie bedeutet. Was steckt dahinter? Weshalb konnte der Islamismus in Deutschland eine solche Zugkraft entwickeln? In diese Richtung soll das Interview mit Ihnen gehen. Termin wie besprochen kommenden Donnerstag mit Kamerateam…
Behnam Said ist ein deutscher Islamwissenschaftler und Buchautor. Er hat jahrelang beim Verfassungsschutz in Hamburg gearbeitet und unter anderem den Arbeitsbereich der Prävention mit aufgebaut.
In dem Film „Das Experiment“ von 2001 werden Menschen in zwei Gruppen aufgeteilt: Wärter und Gefangene. Das Experiment eskaliert, die Wärter geraten in einen Machtrausch. Offenbar werfen wir unsere menschlichen Prinzipien in Sekundenschnelle über Bord, wenn wir Autoritäten gehorchen sollen - oder selber Macht in die Hand bekommen. Die „X-Games“ haben einen ähnlichen Ansatz: Jugendliche sollen in einem Planspiel lernen, wie anfällig sie für Extremismus sind.
Alexej Boris ist Teamleiter bei X-Games. Sein Ziel ist es, jungen Menschen ihre Anfälligkeit für Extremismus vor Augen zu führen. Bei dem Planspiel werden Schüler vor Probleme gestellt, die sie scheinbar nicht lösen können, ohne gegen die Gebote der Menschlichkeit zu verstoßen. Beispiel: Darf man gegen einen Terroristen Folter einsetzen, wenn man herausfinden will, wo er die Bombe versteckt hat, die jeden Moment hochgehen kann?
Wie verführbar sind wir, wenn uns jemand in einem weißen Kittel als Autoritätsperson gegenüber sitzt und Anweisungen gibt? Wie schnell sind wir bereit, unsere Prinzipien zu verraten? Wann sind wir bereit, anderen zu schaden, wenn es eine Autorität gibt, die uns dazu auffordert?
sie erklären Schule zum Hotspot für Präventionsarbeit. Weshalb sehen Sie das so? Wie man kann junge Menschen stark machen gegen Extremismen? Die Debatte, ob Präventionsarbeit der klassischen Politischen Bildung zuzuordnen ist oder ein eigenes Feld, ist ja in vollem Gange. Ihr Terminvorschlag ist hiermit bestätigt und notiert...
Michael Kiefer hat viele Berufe. Er lehrt Islamwissenschaften an der Uni Osnabrück, ist Präventionsberater in Düsseldorf und schreibt Bücher über religiösen Extremismus. Der wichtigste Ort für Präventionsarbeit ist seiner Meinung nach die Schule.
Das Internet bietet einen nahrhaften Boden für den Hass. Nirgendwo sonst kann man - anonym und meist ungestraft - andere Menschen beleidigen und demütigen. Persönliches Cybermobbing ist ein richtiges Problem geworden, aber auch die Millionen Hasskommentare unter Zeitungsartikeln vergiften das Miteinander.
Sonja Boddin ist Mitgründerin des Hashtags #ichbinhier. Die Aktivisten von #ichbinhier verbringen ihre Freizeit damit, auf Hasskommentare im Netz zu antworten. Denn sie wollen den Hatern zeigen: Ihr könnt nicht einfach irgendetwas behaupten, Leute bedrohen und dann ungestraft davon kommen.
Welche Folgen hat der Hass? Was bedeutet er für die Zusammenhalt einer Gesellschaft? Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass er zwar die Bildung von Gruppen verstärkt - „im Hass sind wir uns einig“ - diese sich aber durch Abgrenzung zu anderen Gruppen erst konstituieren. Die Folge ist, dass Hass eine Gesellschaft spalten kann. Das Internet war der Ort, an dem er sich lange Zeit ohne viel Gegenwehr frei entfalten konnte.
vielen Dank für das Telefonat. Sie erklärten, Prävention sei nicht nur staatliche Aufgabe. Sie enthalte denselben Glaubenssatz wie eine funktionierende Demokratie. Stichwort: Partizipation, alle machen mit. Sind wir denn wirklich alle verantwortlich für das politische System? Was, wenn jemand nicht mitmachen will? Darüber wollen wir in dem Interview mit Ihnen sprechen. Schön, dass es klappt.
Irina Bohn ist Politikwissenschaftlerin, Expertin für Demokratieförderung und Radikalisierungsprävention und hat verschiedene Projekte für das Programm Demokratie Leben! des Bundesfamilienministeriums evaluiert.
Der Staat muss Terroranschläge verhindern und mögliche extremistische Gruppen ausfindig machen und im Auge behalten. Der Fall NSU hat gezeigt, dass die Strategien nicht immer aufgehen. Rechtsextreme Terroristen konnten, über Jahre offenbar unentdeckt, 10 Menschen ermorden. Andererseits beschweren sich Datenschützer über zu viel Überwachung unbescholtener Bürger. Ein Dilemma für die Sicherheitsbehörden.
Sehr geehrte Frau Fazlali,
Da das Interview mit Innensenator Geisel in der vergangenen Woche wegen der Innenministerkonferenz nicht stattfinden konnte, würden wir uns freuen, wenn Sie uns in dieser Woche einen Termin ermöglichen könnten...
Andreas Geisel hat BWL studiert und ist seit 2016 Innensenator in Berlin. Seiner Behörde zugeordnet ist das Landesamt für Verfassungsschutz, das sich um das Thema Extremismusprävention kümmert.
Am Ende unserer Reise haben wir das Gefühl: es gibt in Deutschland zwar gefährliche Entwicklungen. Aber auch eine Menge Leute, die sich dagegen engagieren.
Die Ursachen, warum sich jemand radikalisiert, liegen tief. Im Zeitalter von Globalisierung gibt es immer mehr Menschen, die sich als „Verlierer“ wahrnehmen und Wut auf die vermeintlichen „Gewinner“ entwickeln. Es haben sich Gräben aufgetan in der Mitte unserer Gesellschaft, die wir jahrelang als stabil und friedlich wähnten. Das ist natürlich nicht nur in Deutschland so. Einige unserer europäischen Nachbarländer zeigen uns, was passiert, wenn die Extremen die Oberhand gewinnen. Es müssen die Gräben geschlossen werden zwischen Arm und Reich, zwischen Osten und Westen. Zwischen „uns Deutschen“ und „den Fremden“. Den Hass zu besiegen, das ist nicht nur Aufgabe des Staates, sondern die von uns allen.